Kritik der ITK-Firmen Lösungsvorschläge für die Mehrwertsteuer­problematik

Autor Sarah Gandorfer

Die Mehrwertsteuersenkung bringt mehr Kosten als Nutzen, so die Meinung vieler Unternehmer. Securepoint, ITscope und der Bitkom haben Lösungsvorschläge, wie mit Lizenzverträgen umgegangen werden kann und wo die Politiker schnellstmöglich Gesetzesänderungen auf den Weg bringen müssen.

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IT-Unternehmen wenden sich mit ihren Kritikpunkten an die Politik.
IT-Unternehmen wenden sich mit ihren Kritikpunkten an die Politik.
(Bild: Aliaksei - stock.adobe.com)

Mit der im Konjunkturprogramm der Bundesregierung verankerten Mehrwertsteuersenkung sollen Konsumenten finanziell entlastet und soll die Wirtschaft angekurbelt werden. So richtig glücklich scheinen die meisten Unternehmen allerdings nicht zu sein, denn der Gesetzgeber hat der Umsetzung und dem dahinterstehenden Aufwand für die Unternehmen wenig Beachtung geschenkt.

Eine Zusammenfassung der Lexware-Studie
Eine Zusammenfassung der Lexware-Studie
(Bild: Lexware)

So ergab eine Umfrage von Lexware im Juni unter 8.355 Kleinunternehmern und Selbstständigen eine klare Erwartungshaltung: Während die Umsetzung der Steuersenkung mit Aufwand und Kosten verbunden ist, rechnet die große Mehrheit nicht mit einem Umsatzwachstum. Trotzdem wollen mehr als die Hälfte aller Befragten (54,4 %) die Steuererleichterung an ihre Kunden weitergeben. Weitere 15 Prozent waren zurzeit der Befragung diesbezüglich noch unentschieden.

71,6 Prozent der Befragten gaben an, auf keinen Fall oder zumindest eher nicht mit zusätzlichem Umsatz zu rechnen. Im Vergleich dazu gehen nur 4,4 Prozent der Unternehmen von einem Umsatzzuwachs aus. Alles in allem betrachten sieben von zehn Befragten (72,7 %) die Steueranpassung als Mehrarbeit. Vor allem Kassensysteme, Preisschilder und -listen sowie Shop- und Buchhaltungssysteme müssen kurzfristig und zeitlich begrenzt angepasst werden.

Mit etwa jeweils 20 Prozent waren das Handwerk, der Handel sowie der Bereich Dienstleistung/Service unter den befragten Branchen gleichermaßen stark vertreten. Über 43 Prozent der Unternehmer gaben an, zwei bis fünf Mitarbeiter zu beschäftigen, weitere 15 Prozent sechs bis zehn Mitarbeiter. Bei einem guten Viertel handelt es sich um Soloselbstständige.

IT-Unternehmen wenden sich an die Politik

Der Sales Director von Securepoint, René Hofmann, wendet sich in einem offenen Brief an den für ihn zuständigen Abgeordneten und erklärt die Lage für sein inhabergeführtes mittelständisches IT-Unternehmen mit 170 Mitarbeitern und 15 Auszubildenden.

Der IT-Security-Hersteller bietet seinen Fachhandelspartnern Lizenzen, die diese wiederum ihren Kunden verkaufen. Diese Lizenzen gibt es in unterschiedlichen Laufzeiten: von einem Monat bis hin zu fünf Jahren. Genau hier kommt der große Knackpunkt, der für so manches Unternehmen existenzbedrohend sein kann.

Die Senkung der Steuer von 19 auf 16 Prozent hat weitreichende Auswirkungen für laufende Lizenzen der letzten Jahre. Denn laut Steuerberaterverband heißt es: „Aus der Gültigkeit der verminderten Steuersätze bis zum 31.12.2020 ergeben sich Änderungen für Jahresleistungen, beispielsweise für Lizenzen. Da diese Leistungen mit Ablauf des vereinbarten Leistungszeitraums als erbracht anzusehen sind, gilt für diese der verminderte Steuersatz des Übergangszeitraums. Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlung für das gesamte Jahr bereits vorab geleistet wurde. Insoweit ist eine Anpassung der Zahlung und der Rechnung erforderlich.“

Wenn tatsächlich der Ablauf der Lizenzlaufzeit als Bemessungsgrundlage dient, steigt der Aufwand in jedem Unternehmen, welches mit Laufzeiten arbeitet ins Maßlose. In Deutschland gibt es allein über 22.000 IT-Systemhäuser. Im Fall von Securepoint müssten tausende Belege und Lizenzen der letzten fünf Jahre rückwirkend geprüft, Rechnungen korrigiert und angepasst sowie Rückzahlungen der drei Prozent Umsatzsteuer an die Fachhandelspartner vorgenommen werden.

Schlimmer kommt es für die Fachhandelspartner, die ihren Vorsteuerabzug dann falsch vorgenommen haben. Auch hier müssen sämtliche Rechnungen korrigiert, neu an die Kunden verschickt und die drei Prozent an die Kunden erstattet werden. Diese ganzen Vorgänge und Umstellungen erfordern einen enormen Personalaufwand, Kosten in der Softwareumstellung, Liquiditätseinbußen et cetera. Solche Belastungen in Zeiten von Covid-19 und dazu in so einer kurzen Zeit zur Umsetzung, können Unternehmen kaum realisieren und seien laut Hofmann wirtschaftlich untragbar.

Vor dem gleichen Problem steht auch ITscope. Hier warnt Geschäftsführer Benjamin Mund in einem Blogartikel, dass, falls keine begleitende Vereinfachungsvorschrift verabschiedet wird, B2B-Unternehmen theoretisch alle alten Jahresrechnungen der letzten Monate korrigieren müssen und damit sowohl sich selbst und ihren Kunden, als auch den Steuerbehörden erheblichen Aufwand bescheren.

Lösungsvorschläge

Munds Vorschlag, um diese komplexe Situation zu erleichtern, wäre, mit Bezug auf §14c des Umsatzsteuergesetz bei der Umsetzung der Mehrwertsteuersenkung klarzustellen, dass auch für Empfänger von zu hoch gestellten Rechnungen Rechtssicherheit bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldung besteht – zumindest für bereits bezahlte Rechnungen. Dann könnten B2B-Firmen ihre Kunden entsprechend informieren, dass es bei 19 Prozent bleibt und nur im Bedarfsfall auf Anfrage eine Korrekturrechnung ausgestellt wird, zum Beispiel für noch nicht bezahlte Rechnungen.

Ähnliches fordert der Securepoint-Vertreter Hofmann. Ein pragmatischer Ansatz kann seiner Meinung nach wie folgt aussehen: „Aus der Gültigkeit der verminderten Steuersätze bis zum 31.12.2020 ergeben sich Änderungen für Jahresleistungen wie Lizenzen. Da diese Leistungen mit Beginn anstatt mit Ablauf des vereinbarten Leistungszeitraums als erbracht anzusehen sind, gilt für diese der verminderte Steuersatz des Übergangszeitraums.“ Durch die Änderungen der Bemessungsgrundlage, also dem Beginn eines Laufzeitvertrages, kann eine Senkung der Steuer für zukünftige Geschäfte möglichst pragmatisch umgesetzt werden. Der anfallende Aufwand und die Belastungen wären gerechtfertigt und stemmbar.

Ein weiterer Vorschlag Munds wäre die radikale Vereinfachung, indem die im innereuropäischen grenzüberschreitenden Handel geltenden Vereinfachungen auch für deutsche Anbieter gelten würde. Anbieter aus Europa mit Kunden aus Deutschland sind nämlich nicht von der Umstellung betroffen. Im innereuropäischen Handel gilt hier schon lange eine erhebliche Erleichterung: Das Reverse-Charge-Verfahren befreit Unternehmen in Europa von der Pflicht, bei grenzüberschreitendem Handel die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

Er mahnt außerdem, dass sich mit der aktuell geltenden Regelung das Umsatzsteuerkarussell stetig weiter dreht. Das europäische System des Vorsteuerabzugs zu staatenweise unterschiedlichen Sätzen steht schon lange dafür in der Kritik, von illegalen Machenschaften organisierter Krimineller ausgenutzt und der Fiskus dadurch regelmäßig um Milliarden geprellt zu werden. Neben dem Abbau von Bürokratie würde ein generelles Reverse-Charge-Verfahren also auch bestehende Schlupflöcher schließen und dem Missbrauch entgegenwirken.

Bitkom kritisiert

Diese und weitere rechtliche Fallstricke der Mehrwertsteuersenkung hat gleichfalls der Bitkom aufgezählt, darunter auch Probleme der Telekommunikationsanbieter. Sie sind verpflichtet, ihren Kunden Produktinformationsblätter zur Verfügung zu stellen. Diese müssten alle für den Zeitraum der Mehrwertsteuersenkung angepasst werden, was aber bei Prepaid-Verpackungen im Einzelhandel oder an Tankstellen kurzfristig unmöglich ist. An dieser Stelle müssen nach Ansicht des Verbands Ausnahmeregelungen geschaffen werden. Solche sind auch im Energiebereich notwendig, denn dort sind die Anbieter gesetzlich verpflichtet, Preisanpassungen sechs Wochen im Voraus anzukündigen. Auch führen Preisveränderungen zu ungewollten Sonderkündigungsrechten der Konsumenten.

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