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26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133634

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 30.08.2013 – 11 K 31/13


Revision eingelegt – BFH-Az.: IX R 45/13

Tatbestand

Streitig ist, ob Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch nach einer Veräußerung des Wohngrundstücks außerhalb der Spekulationsfrist berücksichtigt werden können.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2009 und 2010 zur Einkommensteuer zusammen-veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärungen für diese Jahre begehrten sie jeweils einen Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 4.801,00 € (2009) bzw. 4.053,00 € (2010) für Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Geldmittel des zugrundeliegenden Darlehens dienten ursprünglich der Finanzierung des Vermietungsobjektes (Mehrfamilienhaus) in X. Dieses Objekt war im Jahr 1996 durch die aus den Gesellschaftern A, B und dem Kläger bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (zukünftig: GbR) fertiggestellt worden. Die Herstellungskosten umfassten 501.281,31 DM. Die GbR veräußerten das Mehrfamilienhaus am 9. Oktober 2007. Im Jahr 2008 kam es zur Auflösung der GbR. Der Veräußerungserlös in Höhe von 80.000,00 € konnte die noch im Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises bestehenden Darlehensverbindlichkeiten nicht vollständig ausgleichen. der Kaufpreis wurde dem Konto der GbR (Bank D, Kontonr. 6230007236) im Januar 2008 gutgeschrieben. Das Restdarlehen wurde in Höhe von 75.000 EUR durch den Gesellschafter A am 29. Dezember 2008 getilgt. Die verbliebene Darlehensschuld in Höhe von 59.550,27 EUR übernahm der Kläger. Er übernahm auch die Schuld der GbR, die das Kontokorrentkonto der GbR (Bank D, Kontonr. 1169994) am Jahresende 2008 auswies (insgesamt 12.158,60 EUR). Zur Ablösung dieser Restschuld nahm der Kläger im Dezember 2008 ein Darlehen über 71.000,00 € auf (Bank D, Kontonr. 6710052314), deren Zinsen der Kläger in den Streitjahren 2009 und 2010 in Höhe von 4.801,00 € (2009) bzw. 4.053,00 € (2010 inkl. Steuerberaterkosten) als Werbungkosten geltend machte. Der Beklagte versagte diesen Werbungskostenabzug.

Der Beklagte erließ dementsprechend einen Einkommensteuerbescheid für 2009 am 6. Dezember 2010 und einen Einkommensteuerbescheid für 2010 am 15. September 2011. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden mit den Einspruchsbescheiden vom 22. April 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte vertrat dabei die Ansicht, dass eine Zuordnung der nachträglichen Schuldzinsen zum privaten Vermögensbereich dann notwendig und folgerichtig sei, wenn die Veräußerung von Grundstücken dem steuerrechtlich relevanten Vermögensbereich nicht zugerechnet werde, wie es bei privaten Veräußerungen außerhalb der Spekulationsfrist im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Fall sei. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG der Schuldzinsen mit den Einkünften aus § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei dann zu verneinen, da die Zinsen in einem solchen Fall eine Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, dass im privaten Vermögensbereich nicht der Einkünfteerzielung diene, darstellen würde. Da im Streitfall die Immobilie außerhalb der Spekulationsfrist veräußert worden sei, könnten daher auch die nachträglichen Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 2009 und 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen erhoben die Kläger Klage.

Die Kläger tragen vor, der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit seinem Urteil vom 20. Juni 2012 (IX R 67/10, BStBl II 2013, 275) Kriterien für die Bejahung eines Veranlassungs-zusammenhangs der Schuldzinsen mit den Einkünften aus § 21 EStG gegeben. Dabei habe der BFH eben nicht einen Zusammenhang zwischen dem Werbungkostenabzug der Schuldzinsen und einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG her-gestellt. Somit seien Schuldzinsen für ein Darlehen, dass bei der Veräußerung des Vermietungsobjektes nicht abgelöst werden konnte, auch dann als Werbungskosten zu berücksichtigten, wenn sie außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG entstanden sind.

Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide vom 6. Dezember 2010 (2009) und vom 15. September 2011 (2010) in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 22. April 2013 zu ändern und Schuldzinsen in Höhe von 4.801,00 € (2009) und 4.053,00 € (2010) als nachträgliche Werbungkosten zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, ein Veranlassungszusammenhang sei ausschließlich in jenen Fällen anzunehmen, in denen das Vermietungsobjekt auch innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit steuerbar und steuerpflichtig veräußert worden sei. Die Veräußerung des Vermietungsobjekts innerhalb der Spekulationsfrist sei daher als zusätzliches viertes Prüfungskriterium anzusehen. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. März 2013 (IV C 1-S 2211/11/10001: 001, 2013/0146961, BStBl. I 2013, 508). Des Weiteren ergebe sich diese Rechtsauffassung auch aus dem Kontext des BFH-Urteils vom 20. Juni 2012 (IX R 67/10, BStBl. II 2013, 275). Denn der BFH weise in diesem Urteil darauf hin, dass ein Schuldzinsenabzug zwar auch erstmals nun für Zeiträume nach Beendigung der Vermietungstätigkeit gewährt werde; jedoch nur bei Vorliegen der vier Kriterien, wozu auch die Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist gehöre. Andere Fallkonstellationen seien durch den BFH ausdrücklich offen gelassen worden.

Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss des Senats vom 7. August 2013 gemäß § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet.

Die Einkommensteuerbescheide vom 6. Dezember 2010 (2009) und vom 15. September 2011 (2010) in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 22. April 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es sind Schuldzinsen in Höhe von 4.801,00 € (2009) und 4.053,00 € (2010) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG).

a) Als maßgebliches Kriterium für einen steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer Einkunftsart wird die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" sowie dessen "Zu-weisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre" angesehen (BFH-Beschl. des Großen Senats v. 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672). Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt einerseits dem mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel entscheidende Bedeutung zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. BFH-Urt. v. 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BStBl II 1999, 676; Urt. v. 29. Juli 1997 IX R 89/94, BStBl II 1997, 772).

b) Nach den früher in der Rechtsprechung des BFH vertretenen Grundsätzen bestand der Zweck, sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst worden war, jedenfalls solange fort, bis die Vermietungsabsicht aufgegeben wurde und die Vermietungstätigkeit bzw. das Rechtsverhältnis im Sinne der Einkunftsart endete mit der Konsequenz, dass die auf das Darlehen gezahlten Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zwar in dem genannten Zeitraum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Ver-pachtung berücksichtigt, nach Ende der Vermietungstätigkeit jedoch grundsätzlich nicht mehr als solche anerkannt wurden - und zwar auch dann nicht, wenn der Erlös aus der Veräußerung eines zuvor zur Vermietung genutzten Grundstücks nicht ausreichte, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen (vgl. BFH-Urt. v. 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966; Urt. v. 24. April 1997 VIII R 53/95, BStBl II 1997, 682; Urt. v. 19. August 1998 X R 96/95, BStBl II 1999, 353; Urt. v. 25. Januar 2001 IX R 27/97, BStBl II 2001, 573). Etwas anderes galt mit Blick auf die Regelung in § 24 Nr. 2 EStG für rückständige Zinsen, die auf die Zeit der Vermietung entfielen, jedoch erst nach Beendigung der Vermietungstätigkeit geleistet wurden (BFH-Urt. v. 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BStBl II 1983, 373; Urt. v. 23. Januar 1990 IX R 8/85, BStBl II 1990, 464). Zudem hatte die Rechtsprechung des BFH nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen dann als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, wenn mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden waren, bei denen es sich um Werbungskosten gehandelt hatte (BFH-Urt. v. 16. September 1999 IX R 42/97, BStBl II 2001, 528; Urt. v. 12. Oktober 2005 IX R 28/04, BStBl II 2006, 407).

c. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH … wird an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten (BFH-Urt. v. 20. Juni 2012 IX R 67/10, BStBl. II 2013, 275). Nachträgliche Schuldzinsen können nach nunmehr vertretener Ansicht des BFH auch nach Veräußerung des Vermietungsobjekts abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Dies führt nicht nur dazu, dass nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften gleichbehandelt werden, sondern entspricht auch den Grundsätzen des Werbungskostenabzugs. Danach besteht ein ursprünglich gesetzter Veranlassungszusammenhang zwischen einem (Rest-)Darlehen, das der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen Immobilienobjektes diente, und den (früheren) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich auch dann weiter fort, wenn der Steuerpflichtige das Objekt veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks auf-genommene Darlehen abzulösen. Durch die mit der Veräußerung des Wohngrundstücks einhergehende Beendigung der Vermietungstätigkeit ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen; vielmehr sind die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommenen Schulden ausgelöst (BFH-Urt. v. 20. Juni 2012 IX R 67/10, BStBl. II 2013, 275).
Mit der Veräußerung des ursprünglich zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen Immobilienobjektes wird auch kein - so der BFH nunmehr - "neuer", den bisherigen Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung überlagernder oder gar ersetzender Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geschaffen. Zwar können Aufwendungen, die während des nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblichen Zeitraums angefallen sind, auch Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG sein. Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 23 EStG kommt indes zum einen nur dann in Betracht, soweit nicht der Veräußerungsgegenstand im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart genutzt wurde (vgl. § 23 Abs. 2 EStG). Sind daher die Aufwendungen im Rahmen einer steuerlich relevanten Nutzung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu werten, scheidet der Abzug als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften schon dem Grunde nach aus. Zum anderen erfolgt die Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG zeitpunktbezogen; aufgrund dieser einkunftsartbedingten Besonderheit kommt eine Berücksichtigung von Schuldzinsen, die nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angefallen sind, bei den Einkünften nach § 23 EStG nicht in Betracht (vgl. BFH-Urt. v. 16. Juni 2004 X R 22/00, BStBl II 2005, 91; Urt. v. 12. Dezember 1996 X R 65/95, BStBl II 1997, 603).

d) Ob die neue Rechtsprechung auch für die Fälle gilt, in denen - wie im Streitfall - die Veräußerung des Vermietungsobjekts außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfolgte, ist bisher noch nicht vom BFH entschieden worden. Nach hier vertretener Auffassung wird durch eine Veräußerung des Vermietungsobjekts außerhalb des Spekulationszeitraums der wirtschaftliche Zusammenhang der nachträglichen Schuldzinsen zu den ursprünglichen durch Vermietung und Verpachtung veranlassten Aufwendungen nicht aufgehoben, so dass auch diese Zinsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden können.

aa) Nach einer Auffassung in der Literatur wird der notwendige Veranlassungszusammenhang zwischen den nachträglichen Schuldzinsen und der Überlassung des Vermietungsobjektes zur Nutzung durch einen nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfolgten Veräußerung nicht unterbrochen (Schallmoser, Steuk 2013, 115; Jachmann, juris PR-SteuerR 41/2012, Anm. 3; Jachmann/Schallmoser, DStR 2011, 1245, 1248/49; Heuermann in Blümich, EStG, KStG, GewStG (Loseblatt), § 21 EStG Rz. 281). Am Veranlassungszusammenhang ändere sich durch einen Veräußerungsakt nach Ablauf der Spekulationsfrist grundsätzlich nichts. Soweit der BFH in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2012 auf die verlängerte Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG Bezug nehme, habe dies lediglich den Zweck gehabt, die Rechtsprechungsänderung zu rechtfertigen. Sie habe nicht dazu gedient, einen zeitlichen Maßstab für die Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten zu geben (Schallmoser, SteuK 2013, 115, 117). Maßgeblich sei stets der ursprünglich gesetzte Veranlassungszusammenhang, der gerade nicht schon durch die Veräußerung der Einkunftsquelle gelöst werde (s. hierzu Schallmoser, SteuK 2013, 115, 117; Heuermann, StBP 2012, 327, 329)

bb) Nach anderer Auffassung kommt eine Berücksichtigung der Schuldzinsen außerhalb der Spekulationsfrist nicht in Betracht (BMF-Schreiben v. 28. März 2013 IV C 1 – S 2211/11/1001:001, BStBl. I 2013, 508; Jochum, DStZ 2012, 728). Werde die Vermietungstätigkeit auf Grund der Veräußerung des Objekts beendet, könne schwerlich davon die Rede sein, dass die nachträglich entstehenden Schuldzinsen noch zu dieser Einkunftsart zählen. Es verhalte sich vielmehr so, dass bereits mit dem endgültigen Ent-schluss des Steuerpflichtigen, die vermietete Immobilie zu veräußern, die Absicht entfalle, weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen; jedenfalls ab Unter-zeichnung des Kaufvertrags fehle es an der Absicht, Vermietungseinkünfte zu generieren (Jochum, DStZ 2012, 728, 732).

cc) Der unter aa) genannten Auffassung ist zu folgen. Die Schuldzinsen behalten auch nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 EStG ihren Veranlassungszusammen-hang zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Besteuerung der Vermietungseinkünfte nach § 21 EStG ist grundsätzlich unabhängig von einer Besteuerung der Spekulationsgewinne nach § 23 EStG zu beurteilen. Es handelt sich um zwei verschiedene Einkunftsarten, deren Einkünfte unterschiedlich ermittelt werden. Die Einkünfte nach § 23 EStG werden zeitpunktbezogen ermittelt, während die Einkünfte nach § 21 EStG zeit-raumbezogen bestimmt werden. Überdies ist die Argumentation des Beklagten, eine Berücksichtigung der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten könne nur erfolgen, solange eine Veräußerung dem steuerlich erheblichen Vermögensbereich zugeordnet werden könne, insoweit nicht überzeugend. Denn kommt es nicht zu einer Veräußerung, so fällt die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt in die nicht steuerbare Vermögens-sphäre, so dass z.B. der Veräußerungsversuch und die damit verbundenen Aufwendungen steuerrechtlich im Rahmen des § 23 EStG ohne Bedeutung sind (BFH-Urt. v. 1. August 2012 IX R 8/12, BStBl. II 2012, 781 Rz. 14). Gleichwohl sind die Schuldzinsen auch nach Auffassung der Verwaltung innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG als Werbungskosten abzugsfähig. Hier wird also deutlich, dass es auf eine Steuerbarkeit oder Steuerfreiheit i.S.d. § 23 EStG nicht ankommen kann. Deshalb ist auch bei einer werten-den Betrachtung grundsätzlich kein Bruch des Veranlassungszusammenhangs zwischen den hier streitigen nachträglichen Schuldzinsen und der ursprünglichen Vermietung durch eine Veräußerung außerhalb der Spekulationsfrist gegeben.

e) Eine Einschränkung dieser Grundsätze ist allerdings dann gegeben, wenn die Schuld-zinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis des Immobilien-objektes hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). In diesem Fall beruht die Entscheidung des Steuerpflichtigen, im Veräußerungszeitpunkt noch valutierende Darlehensschulden nicht oder nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer privaten Motivation, die den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagert (vgl. Jachmann/ Schallmoser, DStR 2011, 1245, 1249). Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG kann ferner dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich - etwa mit Blick auf eine dauerhaft angelegte Vermietung des maßgeblichen Objektes - mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat (zur Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht vgl. BFH-Urt. v. 30. September 1997 IX R 80/94, BStBl II 1998, 771; zur Übernahme der Typisierung durch den Gesetzgeber s. die Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG i.d.F. des Steuerverein-fachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) sowie die hierzu gegebene Gesetzesbe-gründung in BRDrucks 54/11, 51), seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjektes aus anderen Gründen weg-gefallen ist.

Soweit darüber hinaus denkbare Fallkonstellationen eine den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass nachträgliche Schuldzinsen nicht mehr durch die ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, gilt dies jedoch nicht in dem Grundfall. Denn in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige - ohne seine Absicht zur Einkünfteerzielung vor der Zeit aufgegeben zu haben - das bisher der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienende Wohngrundstück veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen, ist von einem Fortbestand des Veranlassungszusammenhangs auszugehen.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze waren die nachträglichen Schuldzinsen der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) zu berücksichtigen. Die Höhe der von dem Kläger in den Streitjahren aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen ist ebenso wenig streitig wie der Umstand, dass die GbR das verbliebene (Rest-)Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten eines der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienenden Wohngebäudes aufgenommen hatte. Die oben dargestellten Grundsätze gelten dabei nicht nur für das ursprüngliche Darlehen, sondern auch für ein diesen Kredit ablösendes Darlehen – wie es der Kläger aufgenommen hat - (BFH-Beschl. des Großen Senats v. 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817, 824 zu Betriebsausgaben; vgl. auch BFH-Urt. v. 25. Januar 2001 IX R 27/97, BStBl. II 2001, 573, 575 m.w.Nachw.). Unstreitig war die GbR auch nicht in der Lage, die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten bei der Veräußerung des Immobilienobjektes vollständig zu tilgen; der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung wurde insoweit beachtet.

II. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 798 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.

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